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Fragestellungen des Projekts

Wie gestaltete sich das Leben 1914 und 1918 in den sieben europäischen Heimaten? Gab es Gemeinsamkeiten oder große Unterschiede in den verschiedenen Städten? Was geschah bei Ausbruch des Krieges? Der folgende Teil der Ausstellungen wendet sich diesen Fragen zu. Er gliedert sich in sieben Themenfelder:

Die Gestaltung des Alltags und der Rolle der Frau. Dieser Schwerpunkt soll das alltägliche Leben, wie es durch den Krieg geprägt wird, näher bringen. Besonders die Frauen werden vor eine neue Herausforderung gestellt, da durch die Mobilmachung ihre Männer in den Krieg ziehen, die Ernährer wegfallen und sie eine größere Verantwortung übernehmen müssen. Benötigten sie für ihren familiären Alltag Unterstützung und wie traten sie zu Kriegsbeginn in Erscheinung?

Wirtschaft und Verkehr sorgten in dieser Zeit für einige Veränderungen in den Städten. Mit der wachsenden Industrie musste die Infrastruktur angepasst werden, neue Transportwege und Häuser wurden gebaut, mehr Arbeiter zogen in die Stadt. Gab es auch gegensätzliche Entwicklungen? Wie mussten sich die Wirtschaftsbetriebe (z.B. Bayer) dem Krieg anpassen, wenn ihre Arbeiter in den Kampf zogen oder profitierten sie gar durch den Krieg?

Dass das Militär natürlich eine zentrale Institution im Krieg ist, steht außer Frage. Hier soll aber die Wahrnehmung der Bevölkerung thematisiert werden, die zu Kriegsbeginn mit durchziehenden Soldaten konfrontiert wird und Teile ihres Alltags an die Mobilmachung anpassen muss. Besonders die Garnisonsstädte, als Standort des Militärs, mussten ihren Alltag der veränderten Situation anpassen. Zusätzlich stellt sich die Frage, wie weit der Militarismus – nicht nur auf der jeweiligen Regierungsebene – in der Gesellschaft verbreitet ist.

Die Kirchen unterschiedlicher Konfessionen nahmen zu dieser Zeit einen hohen Stellenwert in der Gesellschaft ein, prägten sie das christliche Menschenbild enorm und konnten so großen Einfluss auf ihre Gemeinden ausüben. Wie wurde der Krieg wahrgenommen und behandelt im kirchlichen Sinne? Wie kann eine Religion, die die gesamte Christenheit, als eine Einheit versteht, auf einmal zwischen Deutschen, Franzosen, Engländern und Russen unterscheiden?

Die öffentliche Meinung und das Kriegsbild wurden zu einem wichtigen Kampfmittel an der Heimatfront, da es maßgeblich die Sicht der Bevölkerung beeinflusste. Sie konnte sich der aufkommenden Propaganda nicht entziehen, da die einzigen Informationsquellen Tageszeitungen und offizielle Ankündigungen waren, die durch den Staat kontrolliert wurden.

Wie verhalten sich der Staat, die Parteien und Gewerkschaften gegenüber dem Krieg? Der Staat war in seiner Verwaltungstätigkeit betroffen, da seine Angestellten und Beamten in den Krieg zogen, aber Städte immer noch organisiert werden mussten. Auch die Parteien und Gewerkschaften mussten sich auf den Krieg einstellen und sich ihm gegenüber positionieren. Was veränderte sich in ihrer Arbeit?

Die Jugend und die Bildung waren vom Krieg ebenso betroffen. Lehrer und obere Schuljahrgänge meldeten sich freiwillig zum Kriegsdienst. Hier stellen sich die Fragen, ob der Unterricht gewährleistet werden konnte und inwiefern die Schule das Kriegsbild der Schüler, z.B. über Schulbücher, beeinflusste und inwieweit schon vor Kriegsbeginn die Schüler ideologisch geprägt wurden.

Der Erste Weltkrieg in europäischer Wahrnehmung

Das Projekt „Der erste Weltkrieg - Euphorie und Neuanfang - Entwicklungen und Wahrnehmungen in europäischen Städten 1914 und 1918“ will mit seinen kommunalen Blickwinkeln und abseits vom konkreten Kriegsgeschehen neue Perspektiven auf die Bedeutung des Ersten Weltkriegs für Europa und seine Menschen bieten. An dem Projekt beteilig(t)en sich im Zeitraum 2013 bis 2019 Partner aus Bracknell, Jülich, Haubourdin, Leverkusen, Ljubljana, Ratibor, Schwedt und Villeneuve d’Ascq.

Der Erste Weltkrieg wurde aus den verschiedensten Blickwinkeln, oft jedoch auch bezogen auf den eigentlichen Frontverlauf und die dortigen Entwicklungen, betrachtet. Die unterschiedlichen Fragestellungen, die im Rahmen des Projektes bearbeitet, erforscht und präsentiert wurden und werden, haben aber eine besondere, die lokale Perspektive.

Nachdem 2014 und 2017 die Entwicklungen in den verschiedenen ausgewählten europäischen Städten bei Kriegsausbruch und teilweise während des Krieges betrachtet wurden, ist es nun Ziel, diese zum Teil während des Krieges und bei Kriegsende sowie bezogen auf den Neuanfang vorzustellen und damit einen genaueren und vielleicht anschaulicheren Eindruck der Ereignisse auf kommunaler Ebene – der sogenannten Heimatfront – zu gewinnen und gleichzeitig einen europäischen Vergleich zu ermöglichen.

Die Veränderungen durch den Krieg lassen sich an den mitwirkenden Städten exemplarisch darstellen.

So zeigte das Projekt einerseits unterschiedliche Wahrnehmungen des Kriegsbeginns in damals vier Städten im Deutschen Reich (Jülich, Leverkusen, Schwedt und Ratibor; mit einem polnischen Bevölkerungsanteil), in Frankreich (Villeneuve d’Ascq), Großbritannien (Bracknell) und Österreich-Ungarn (Ljubljana; mit einem slowenischen Bevölkerungsanteil) auf.

Zum anderen zeigen sich die Veränderungen am Kriegsende durch ein verändertes politisches System im Deutschen Reich und Veränderungen in der Situation der ausgewählten Städte: Jülich und Leverkusen sind britisch besetzt, Schwedt ist im Herzen des Reiches als Garnisonsstadt betroffen und Ratibor steht unter „gewisser“ Völkerbundsüberwachung bis zur Volksabstimmung zwischen Deutschem Reich und Polen 1921. Villeneuve d‘Ascq ist geprägt von deutscher Besatzung im Ersten Weltkrieg. Die Stadt Ljubljana wird Teil des neugeschaffenen Königreichs der Slowenen, Serben und Kroaten.