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Bracknell: eine Heimat fern der Front

Vor 300 Jahren tauchte Bracknell erstmals auf der Landkarte auf, eine kleine Siedlung des niederen Adels im königlichen Jagdrevier Windsor Forest. Der Anschluss an das Eisenbahnnetz im Jahre 1856 war förderlich für die ortsansässigen Ziegeleien und ließ das Städtchen wachsen und gedeihen. Die neu gegründete Thomas Lawrence Ziegelei war bald die größte und berühmteste; ihre Ziegel von hoher Qualität waren u.a. bei der Errichtung der Westminster Cathedral und des Hauses des Premierministers in London gefragt. Ab 1870 wurde auch zweimal pro Woche ein überregionaler Vieh- und Geflügelmarkt abgehalten. Bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs war Bracknell eine Kleinstadt mit knapp 4.000 Einwohnern, mehreren Kirchen, einer Polizeistation, Cricket- und Fußballclubs sowie einem Golfplatz.

Wie überall im Lande eilten bei Kriegsbeginn auch in Bracknell viele Männer für den freiwilligen Kriegseinsatz zu den Rekrutierungsstellen. Ganze Gruppen von Clubfreunden, Arbeitskollegen, Nachbarn meldeten sich für den Dienst an der Waffe. Das Freiwilligenheer war jedoch für einen erfolgreichen Einsatz an der Westfront nicht ausreichend. Es kam zu schweren Verlusten, unter anderem bei der Schlacht an der Somme. 1916 wurde daher die Wehrpflicht eingeführt.

An der Heimatfront in Bracknell wurde sehr schnell ein Mangel an Arbeitskräften spürbar. Geschäfte, Banken, Post, Gaststätten, Clubs schlossen früher. Viele Frauen arbeiteten jetzt auf Bauernhöfen und ersetzten die Männer. Auch die Zahl der vakanten Stellen in anderen Bereichen nahm zu und immer mehr Frauen nahmen die Arbeitsplätze der Männer ein, die an der Front kämpften.

Schon bald kam es auch zu Engpässen in der Nahrungsmittelversorgung mit inflationären Preiserhöhungen. Die Lebensmittelknappheit als Folge des uneingeschränkten deutschen U-Bootkrieges spitzte sich in den beiden letzten Kriegsjahren zu, sodass 1917 Preiskontrollen und Anfang 1918 Rationierungen eingeführt wurden. Ausgesprochene Hungerphasen und –revolten konnten vermieden werden. Zur Verbesserung der Kriegswirtschaft wurden staatlicherseits Sparmaßnahmen verordnet (z.B. bei Treibstoffen) sowie Regulierungen verstärkt (Mietpreise).

Kriegsende in Bracknell

Im Herbst 1918 zeichnete sich das Kriegsende mit einem Sieg der Alliierten ab. Im Gegensatz zum Kriegsbeginn, der in allen Zeitungen ausführlich dargestellt und kommentiert worden war, war die Meldung des Waffenstillstands mit Deutschland am 11. November um 14:30 Uhr dem READING CHRONICLE nur noch ein paar Zeilen auf der Innenseite wert. Drei Seiten waren in der folgenden Woche dem Waffenstillstand gewidmet.

Das Leben normalisierte sich wieder sehr schnell. Einen Monat nach dem Armistice fanden am 14. Dezember 1918 Unterhauswahlen statt, nachdem es im Krieg eine Regierung der nationalen Einheit gegeben hatte. Frauen unter 30 Jahren waren nicht wahlberechtigt.

 

Die ersten Soldaten, die nach dem Ende der Feindseligkeiten zurückkehrten waren Kriegsgefangene. Es dauerte aber bis Juni 1919, als das Royal Berkshire Regiment als letztes Regiment britischen Boden betrat.

Angesichts einer hohen Arbeitslosigkeit nahmen die Frauen bald wieder die traditionelle Stellung hinsichtlich Familienleben und Berufstätigkeit ein.

Lokale Sportwettbewerbe starteten im Februar 1919, die heimische Jagd begann im April.

Ein Friedenstag wurde landesweit am 19. Juli 1919 gefeiert, u.a. mit einem Siegesmarsch durch London. In Bracknell folgte einem Dankgottesdienst ein Abendessen für die Soldaten und ein Volksfest mit einem Open-Air-Konzert und einem Feuerwerk. Am ersten Jahrestag des Waffenstillstands vom 11. November 1918 wurde im ganzen Land um 11:00 Uhr eine zweiminütige Schweigeminute eingelegt, ein Ritual, das bis heute eingehalten wird.

Der örtliche Comrades Club (mit über 400 ehemaligen Soldaten) eröffnete sein eigenes Clubhaus. Die Aufstellung einer deutschen Feldhaubitze verärgerte viele Kriegsveteranen. Eine Ehrenrolle mit den Namen von 54 Gefallenen aus Bracknell, die auf fünf Holztafeln aufgeführt sind, wurde in der südlichen Kapelle der Pfarrkirche aufgestellt und am 20. März 1921 eingeweiht. Es dauerte mehr als drei Jahre, bis ein Kriegsdenkmal in der Stadt errichtet wurde.

Ein Besucher hätte 1925 das Kriegerdenkmal, den Veteranenclub und die deutsche Feldwaffe bemerkt. Er mochte weniger junge Männer in der Stadt gesehen haben, aber in jeder anderen Hinsicht war Bracknell durch den Krieg nicht verändert worden.