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Jülich: eine Garnisonstadt als Heimat

Die Stadt Jülich liegt inmitten der fruchtbaren Jülicher Börde an dem aus der Eifel kommenden Fluss Rur.

Seit 1816 war die preußische Kleinstadt Sitz des Kreises Jülich, der zum Regierungsbezirk Aachen gehörte. Die Entwicklung Jülichs war lange Zeit von ihrer Funktion als Festungsstadt geprägt. Erst 1859 war der Festungsstatus aufgehoben und danach die Festung geschleift worden. Dadurch setzte die Industrialisierung in Jülich verspätet ein. 1873 erfolgte endlich der lang ersehnte Bahnanschluss.

Noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts war die Stadt in erster Linie ein bedeutender Verwaltungsmittelpunkt, aber kein wirtschaftlich starker Standort. Immerhin eröffnete 1914 ein Kino. Eine wichtige Einnahmequelle für die Stadt stellte weiterhin das Militär dar, das mit einer Garnison (bis 1897), sowie mit einer Heeres-Unteroffizierschule (seit 1860) und einer Heeres-Unteroffiziervorschule (seit 1891) starke Präsenz in Jülich zeigte. Ein Ende war jedoch in Sicht, als der Abzug der Militärschulen schon vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs beschlossen und 1916 umgesetzt wurde.

Im Jahr 1914 lebten 6.834 Menschen in Jülich, das aus dem Stadtzentrum und mehreren Ortsteilen bestand; dazu kamen etwas mehr als 500 Angehörige des Militärs.

Die Industrie wurde dominiert von der Papier- und Kartonagenherstellung. Daneben existierte seit 1880 eine Zuckerfabrik. Während des Ersten Weltkriegs wurde mit dem Bau des Reichsbahnausbesserungswerkes Jülich-Süd begonnen.

Die Katholiken stellten die mit Abstand größte Bevölkerungsgruppe. Protestanten und Juden bildeten dagegen nur eine kleine Minderheit. Die stärkste politische Kraft war entsprechend die Zentrumspartei. Erst der Zuzug einer sozialdemokratischen bzw. teilweise kommunistisch geprägten Arbeiterschaft infolge der Inbetriebnahme des Ausbesserungswerkes im Jahr 1918 veränderte die Sozialstruktur Jülichs nachhaltig.

Kriegsende in Jülich

Bereits am 2.12.1918 trafen erste belgische Truppenkontingente ein, gehörte doch Jülich zu dem Teil des Rheinlands, der durch Belgien besetzt werden sollte. Sofort begannen die Belgier mit der Organisation der Besatzung, die durch eine Flut an Ordonnanzen, Verordnungen und Dekreten umgesetzt wurde. Die Bevölkerung fühlte sich über alle Maßen drangsaliert. Die Konfiszierung von Wohnraum tat ein Übriges zur Belastung des Verhältnisses zwischen Einwohnern und Besatzung. Die Eröffnung des Eisenbahnausbesserungswerks während des Krieges hatte zu einer Verknappung des Wohnraums geführt, die sich jetzt noch einmal verschärfte.

Am 11.12.1918 ersetzten französische Truppen die belgischen Kontingente. Jülich gehörte zwar zur belgischen Besatzungszone, wurde aber aus Mangel an belgischem Militär bis zum 5.9.1922 von Franzosen besetzt. Den etwa 4.000 französischen Militärangehörigen und ihrer Familien standen gut 8.000 Jülicher gegenüber. Als besondere Schmach wurde der Einsatz von Kolonialtruppen angesehen, vor allem marokkanische, senegalesische und vietnamesische Einheiten.

Zu einem folgenschweren Zwischenfall kam es am 24.1.1920. Der Verwaltungsangestellte Fritz Sassenscheidt wurde erschossen. Angeblich soll ein französischer Besatzungssoldat den tödlichen Schuss abgegeben haben. Der genaue Tathergang konnte nie geklärt werden. In der Folge kam es aber zu einer größeren Demonstration gegen die Besatzung und auch später wurde das tragische Ereignis propagandistisch ausgeschlachtet.

1923 spitzte sich die Situation noch einmal zu, als in Folge der Besetzung des Ruhrgebiets durch Frankreich und Belgien, der „Passive Widerstand“ ausgerufen wurde und es zudem am 23.10.1923 auch in Jülich zu einem Putschversuch kam. Separatisten versuchten, eine Rheinische Republik auszurufen, was aber am mangelnden Rückhalt in der Bevölkerung scheiterte.

In der Zeit danach normalisierte sich das Verhältnis zur Besatzung zusehends, was auch damit zu tun hatte, dass die Belgier nur noch mit ca. 1.650 Militärangehörigen in der Stadt präsent waren. 1929 wurde die frühzeitige Räumung der letzten Besatzungszone beschlossen, wobei das Rheinland demilitarisiert bleiben sollte. Am 1.12.1929 endete in Jülich offiziell die Besatzungszeit, nachdem bereits am 28.10.1929 die belgischen Truppen vollständig abgezogen waren. Mit großem Pomp und Pathos feierte Jülich seine „Befreiung“ und das Ende erlittenen Unrechts – ohne zu reflektieren, dass die Besatzung die Folge eines Krieges war, in dem Deutschland als Besatzungsmacht in Belgien und in Frankreich schwere Schuld auf sich geladen hatte.