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Krieg verändert die Arbeitswelt

Seit Kriegsbeginn wurden in den kriegführenden Ländern viele Unternehmen von der Konsumgüterfertigung auf die Herstellung von Waffen, Munition und Rüstungsgütern umgestellt. As Folge kam es bei Verbrauchsgütern zu erheblichen Engpässen. Bei gleichzeitig rückläufiger Landwirtschaft war auch die Lebensmittelversorgung der Bevölkerung immer weniger gesichert.  Der moderne industrielle Abnutzungskrieg mit seinen Materialschlachten erforderte aber, die kriegswirtschaftliche Produktion nachhaltig weiter zu steigern.

  • Welche Maßnahmen sollten aus diesem Dilemma herausführen?
  • Wie wurde die Organisation angepasst?
  • Wie wurden Probleme des Arbeitskräftemangels gelöst?
  • Wie wurde die Rohstoffversorgung gesichert?
  • Inwieweit wurden technologische Modernisierungen eingeführt?
  • Welche Folgen hatte das Kriegsende?

KRIEG VERÄNDERT DIE ARBEITSWELT IN LEVERKUSEN

In der Vorkriegszeit hatte Leverkusen Anschluss an die Industrialisierung gefunden. Insbesondere war Wiesdorf durch die FARBENFABRIKEN VORM. FRIEDR. BAYER UND CO. industriell geprägt, zunehmend aber auch Opladen (RHEINISCHE DYNAMITFABRIK, Textilgewerbe, Eisenbahnwerkstätten), Schlebusch (CARBONIT AG, Webereien, SENSENFABRIK H.P. KUHLMANN) sowie Manfort (Metallindustrie, u.a. das WALZWERK TH. WUPPERMANN).

Mit dem Kriegsbeginn verloren die exportorientierten Unternehmen ihre Auslandsmärkte. Sie litten aufgrund der englischen Seeblockade unter Rohstoffmangel und infolge der Einberufungen unter Personalknappheit. Der Absatz von BAYER an Farbstoffen und Medikamenten halbierte sich. Auch die Firma TILLMANNS in Quettingen, Marktführer für Schrauben, verzeichnete Exporteinbrüche, ebenso die RÖMER‘SCHE TÜRKISCHROT FÄRBEREI in Opladen und weitere Firmen.

Um ein Drittel rückläufig waren auch die Erzeugnisse der heimischen Landwirtschaft, weil Pferde, Dünger, Saatgut und Beschäftigte fehlten. Die Seeblockade führte zu einer weiteren Nahrungsmittelverknappung.

Die Sprengstoffproduzenten in Leverkusen erlebten dagegen einen sprunghaften Aufschwung. So produzierte die CARBONIT AG mit 4.000 Beschäftigten monatlich 1.500 t/TNT (Trinitrotuol) zur Granatenbefüllung. Bayer wurde mit 6.000 t/TNT zum größten deutschen Produzenten.  In Quettingen etablierte sich eine Pikrinsäure Anlage.

Viele Unternehmen stellten ihre Produktion auf Rüstungsgüter um. So fertigte der Walzblechproduzent WUPPERMANN jetzt u.a. Zündladungskapseln, Handgranatenbecher und Kartuschen.

Ab 1915/16 herrschte in der Rüstungsindustrie ein spürbarer Arbeitskräftemangel; mit dem Einsatz von Frauen sowie von belgischen Vertragsarbeitern und Kriegsgefangenen versuchte man gegenzusteuern.

Zur Versorgung mit kriegswichtigen Rohstoffen hatte man schon früh eine Kriegsrohstoffabteilung gegründet. Sie kümmerte sich auch um die Entwicklung von Ersatzstoffen.

Mit dem Hindenburg-Programm und dem Vaterländischen Hilfsdienstgesetz von 1916 sollte die Rüstungsproduktion unter Einsatz aller Ressourcen weiter massiv gesteigert und technologisch modernisiert werden. Ziel war eine totale Mobilisierung aller Kräfte des Landes für die Armee.

Nach dem Kriegsende behinderten Handelsbeschränkungen und Ausfuhrverbote die Leverkusener Unternehmen in der besetzten Zone. Belastend waren auch die Produktabgaben im Rahmen der Reparationen, die stringenten Produktionskontrollen durch die alliierten Besatzer und die Demontageverpflichtungen. Erst 1923/24 hatte sich die Wirtschaft wieder weitgehend normalisiert.

KRIEG VERÄNDERT DIE ARBEITSWELT IN LEVERKUSEN - Carl Duisberg – der Industrielle

Carl Duisberg (geboren 1861 in Barmen, heute Stadtteil von Wuppertal, gestorben 1935 in Leverkusen) war ein bedeutender Chemiker und Industrieller. Als Generaldirektor und Vorstandsvorsitzender der FARBENFABRIKEN BAYER führte er das Unternehmen durch den Ersten Weltkrieg und versuchte dieses in den Nachkriegsjahren wieder in den Weltmarkt zu integrieren.

Den Ersten Weltkrieg erlebte Duisberg als Schock. Durch seinen Patriotismus und seinen starken Glauben an einen deutschen Sieg wandelte er die Produktion der Farbenfabriken schon zu Beginn des Krieges von einer Friedensproduktion zu einer Kriegsproduktion.  Dazu gehörte auch die Errichtung einer Sprengstofffabrik, welche noch im Laufe des Krieges explodierte und einen Teil des Chemiewerkes zerstörte.

Duisberg war von den Waffenstillstandsverhandlungen und dem Versailler Vertrag stark getroffen. Er beschreibt den Versailler Friedensvertrag als von „Haß und Rache diktierten Zwangsmaßnahmen“. Bis zuletzt hatte er die Hoffnung, die Siegermächte würden das Deutsche Reich nicht zu hart abstrafen. Die chemische Industrie wurde durch hohe Abgaben stärker getroffen als andere Industriesparten. So musste sie bis 1923 einen gewissen Prozentsatz ihrer Produkte unter dem Marktpreis an die Siegermächte abgeben. Des Weiteren mussten die Unternehmen der chemischen Industrie ihre Fabriken teilweise abbauen. Auch wurde durch die Siegermächte ganz offen Industriespionage betrieben, was die Stellung der deutschen chemischen Industrie weiter schwächte. Als Leverkusen nach dem verlorenen Krieg zuerst von neuseeländischen Truppen und später von britischen Truppen besetzt wurde, versuchte Duisberg sich mit diesen zu arrangieren, was ihm auch gelang.

In den Nachkriegsjahren waren die FARBENFABRIKEN BAYER, wie viele andere Unternehmen, von Streik betroffen. Duisberg erkannte die Zeichen der Zeit und ging auf die Arbeiter zu, so dass es in Leverkusen immer wieder nur zu kleineren Streiks kam.

Duisberg war auch persönlich durch die Revolution getroffen. In Leverkusen blieb es durch die englische Besatzung vergleichsweise ruhig, doch Duisberg musste mehrmals vor Spartakisten aus Leverkusen und Solingen fliehen.  Die Spartakisten wollten Duisberg nach Magdeburg bringen um ihm dort einen Prozess zu machen. Deswegen unterließ es Duisberg auch in der direkten Nachkriegszeit Reisen nach Berlin zu unternehmen. Er sah seine Hauptaufgabe in Leverkusen und dem Wiederaufbau der Farbenfabriken, weswegen er sich aus seinen anderen Verpflichtungen auch langsam zurückzog. Duisberg verstand es sich der Nachkriegszeit anzupassen, da er - wie er sich auch selber in seinen Lebenserinnerungen beschrieben hat - ein Opportunist gewesen sei.

KRIEG VERÄNDERT DIE ARBEITSWELT IN LEVERKUSEN - Farbenfabriken vorm. Friedrich Bayer & Co.

Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs hatte das global operierende Leverkusener Unternehmen unvorbereitet getroffen. Die großen Exportmärkte für Farbstoffe (ca. 60% des Umsatzes) und Medikamente (ca. 20%) gingen weitgehend verloren. BAYER musste seine Werke in den Ländern der Entente schließen, so auch in Villeneuve d’Ascq. In Leverkusen wurde fast die Hälfte der Belegschaft einberufen, die Produktion ging um 50% zurück.

BAYER ließ sich zunehmend in die Kriegswirtschaft eingliedern. Die Kriegslieferungen stiegen von 0,3% des Umsatzes in1914 auf 73,5% in 1916. Mit der Erweiterung einer TNT-Anlage sowie einer neuen Pikrinsäure-Fabrik wurde man zum führenden deutschen Sprengstoffproduzenten. Die Produktion war jedoch nicht risikofrei. Die Explosion einer TNT-Leitung am 27. Januar 1917 forderte acht Tote und viele Verletzte.

Auf Wunsch der militärischen Führung wurden auch Granaten bei Bayer gefüllt und chemische Kampfstoffe sowie Gasmasken gefertigt. Hohe Steigerungsraten verzeichneten Filme (Aufklärung), Cellonscheiben (Kampfflugzeuge) und Synthesekautschuk (Batteriekästen in U-Booten), ferner künstlicher Salpeter.

Der Arbeitskräftemangel konnte nur mit Mühe durch freigestellte Arbeiter, Frauen (Anteil 19%), Zwangsarbeiter sowie Kriegsgefangene ausgeglichen werden. Als im Hungerwinter 1916/1917 die Lebensmittelration auf 1000 kcal/Tag abgesenkt wurde, kam es zu einer kurzen Arbeitsniederlegung, doch konnte die Unternehmensleitung Lebensmittel besorgen.

Die Novemberrevolution überstand das Unternehmen ohne größere Turbulenzen. Dem Wiesdorfer Arbeiter- und Soldatenrat lag daran, die sozialen Probleme des Kriegsendes zu bewältigen. Revolutionäre Ziele wären schon an den britischen Truppen gescheitert, die aufgrund des Waffenstillstandsabkommens ab 12. Dezember den Landkreis Solingen besetzten.

Die Bilanz des Krieges war für BAYER verheerend. Zahlreiche Belegschaftsmitglieder waren gefallen. Das Auslandsvermögen des Unternehmens sowie Patente, Marken und Warenzeichen, einschließlich Aspirin und Bayer-Kreuz, wurden größtenteils beschlagnahmt. Restriktive Handelsbeschränkungen mit den linksrheinischen Gebieten belasteten das Geschäft (1919 ein Drittel Umsatzeinbußen), die aber 1920 aufgehoben wurden. Die Reparationsbestimmungen zwangen BAYER, die Hälfte seiner Vorräte und fünf Jahre lang ein Viertel der laufenden Produktion an Farbstoffen und Pharmazeutika zu Vorzugspreisen abzugeben. Die britischen Besatzer übten Produktionskontrollrechte aus.

KRIEG VERÄNDERT DIE ARBEITSWELT IN LEVERKUSEN - Eisenbahn-Hauptwerkstätte

Die Opladener Eisenbahn-Hauptwerkstätte der Eisenbahndirektion Elberfeld war 1903 als Lokwerkstatt eröffnet worden. Seit 1907 diente sie außerdem als Waggonwerkstatt sowie als Wartungsstation für Akku-Triebwagen.  Die Werkstätte war zuständig für alle Reparaturen von Dampflokomotiven, Wagen und Geräten der Eisenbahndirektionen Elberfeld und Köln. Sie galt in Fachkreisen als Musteranlage.  Die Belegschaft wuchs bis zum Kriegsbeginn auf 2.215 Personen an. Die Ansiedlung der Hauptwerkstätte brachte einen großen Zuzug mit sich und hat die Entwicklung der ehemals eher ländlichen Stadt Opladen wesentlich geprägt.

Im Ersten Weltkrieg nahm die hohe Arbeitsbelastung der Hauptwerkstätte (500 Lokomotiven und 1.300 Personen- und Güterwagen) weiter zu. In der Wagenwerkstatt wurden zahlreiche Wagen für die Transporte von Kriegsgerät, Mannschaften und Pferden hergerichtet. Außerdem mussten 9.600 Wagenladungen mit Gleisen und Weichen dem Heer im Osten und Westen zugeführt werden. Infolge vieler Einberufungen fehlte es an Personal; es wurden zunehmend Frauen sowie160 Kriegsgefangene beschäftigt.

Die große Hungersnot im „Steckrübenwinter“ 1916/17 führte am 24. Februar 1917 zur Arbeitsniederlegung der gesamten Belegschaft. Man marschierte geschlossen zum Landratsamt, um dort gegen die schlechte Versorgung mit Lebensmitteln zu protestieren. Da die behördlichen Stellen eine Verbesserung der Ernährungssituation zusagten, nahmen die Eisenbahner ihre Arbeit am nächsten Tag wieder auf. In der Hauptwerkstätte wurde eine Suppenküche eingerichtet.

Nach dem Kriegsende planten die Siegermächte, die Hauptwerkstätte Opladen von ihrer Heimatdirektion Elberfeld abzutrennen, was den Eisenbahnbetrieb im unbesetzten Gebiet des Direktionsbezirks lahmgelegt hätte. Nach heftigen Protesten verzichteten die Alliierten auf dieses Vorhaben, beanspruchten aber ein Viertel der Leistung der Opladener Lokomotivabteilung für sich. Ein großes Problem für den Werkstättenbetrieb war ein erheblicher Personalüberhang infolge der Demobilisierung. Es mussten 1.000 Werkstättenarbeiter entlassen werden. Nach der Gründung der Deutschen Reichsbahn firmierte das Werk seit 1922 unter der Bezeichnung REICHSBAHN AUSBESSERUNGSWERK OPLADEN (RAW).

KRIEG VERÄNDERT DIE ARBEITSWELT IN SCHWEDT

Vor dem Ersten Weltkrieg besaß Schwedt eine Vielfalt an florierenden Handwerks- und Gewerbetrieben sowie Handelsfirmen. Mit mehreren Sägewerken und Holzschneidemühlen war Schwedt zudem ein Zentrum der Holzindustrie.

Das wirtschaftliche Rückgrat der Stadt war aber die Tabakindustrie. Die uckermärkische Tabakernte betrug in der Vorkriegszeit ca.100.000 Zentner pro Jahr. Bereits 1902 war in Schwedt die UCKERMÄRKISCHE TABAKVERWERTUNGS-GENOSSENSCHAFT (UTVG) gegründet worden. 1911 gab es in Schwedt zehn Tabak- und zehn Zigarrenfabriken, in denen 83 Zigarrenmacher, fünf Tabakspinner und fünf Sortierer arbeiteten. Daneben wurden Zigarren auch in Heimarbeit gefertigt.

Nach dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges gab es zwei Gewerbezweige in der Stadt, die für das Heer arbeiteten und damit gut verdienten: Schneidemühlen und Tabakfabriken. Für nicht kriegsrelevante Betriebe bedeutete der Krieg jedoch den wirtschaftlichen Einbruch. Es fehlten Arbeitskräfte, da die Männer zum Kriegsdienst einberufen waren.

Auch das zuvor glänzende Geschäft der großen HOLZFIRMA ADOLF BRAACK konnte wegen der Einberufungen, auch des Firmeninhabers, nur mit Mühe über Wasser gehalten werden. Man akquirierte Aufträge des Heeres für Schnittholz, das für den Stellungsbau gebraucht wurde. Der Inhaber und mehrere Mitarbeiter wurden „u. k.“ (unabkömmlich) gestellt, d.h. vom Kriegsdienst befreit. Das Sägewerk arbeitete nun Tag und Nacht.

In den Kriegsjahren stieg auch der Tabakverbrauch rapide. Die UTVG verarbeitete ihren Tabak ausschließlich für das Heer. Hier konnte der Arbeitskräftemangel erst durch den Einsatz von Kriegsgefangenen, Fremdarbeitern und Frauen verringert werden. Die Frauen übernahmen neben der Hausarbeit und ehrenamtlichen Fürsorge die Arbeitsaufgaben der Männer.

Die Arbeitskräfteknappheit hatte auch eine modernisierende Wirkung durch einen steigenden Einsatz von Maschinen, insbesondere in der Tabakverarbeitung, wo die Schwere der Arbeit diese für Frauen eigentlich unmöglich machte.

Nach dem Krieg war die Lage für die Schwedter Tabakindustrie infolge des Verbrauchsrückgangs schwierig. Der in Schwedt gedrehte Film „Die Fabrikation einer Zigarre“ entfachte 1919 den Lokalpatriotismus der Schwedter und warb gleichzeitig für Schwedter Tabak und die Zigarrenfabrikation, die in den Folgejahren wieder einen Aufschwung erlebte.