Krieg verändert das Leben der Frauen
Im Ersten Weltkrieg wurden Millionen kriegstauglicher Männer eingezogen, um an der Front fern der Heimat zu kämpfen, während die Frauen an der „Heimatfront“ eine zweite Schlacht schlugen. Sie mussten aufopferungsvoll die Familie in Notzeiten durchbringen, Erschwernisse und Entbehrungen des Alltags meistern. Sie pflegten in den Lazaretten die verwundeten Soldaten und waren in der Kriegsfürsorge tätig. Sie besetzten aber auch die Arbeitsplätze der eingezogenen Männer in der Rüstungsindustrie, in der Verwaltung und Etappe (Hilfskräfte im Dienst des Heeres hinter der Front).
- Wie veränderte sich dadurch der Alltag der Frauen?
- War der Krieg für sie ein „Schrittmacher der Emanzipation“, wie es die Frauenverbände forderten?
- Was blieb nach dem Krieg?
KRIEG VERÄNDERT DAS LEBEN DER FRAUEN IN LEVERKUSEN
Während Millionen kriegstauglicher Männer an der Front fern der Heimat für das Vaterland kämpften, schlugen die Frauen an der „Heimatfront“ eine zweite Schlacht.
Sie mussten zunächst alleinerziehend und aufopferungsvoll die Familienarbeit leisten. Zentrales Alltagsproblem war die Lebensmittelknappheit infolge der britischen Blockade und der schlechten Ernten. Trotz Rationierung blieb die Nahrungsbeschaffung mühselig. Stundenlanges, oft vergebliches Anstehen, Hamsterfahrten und Schwarzmarkthandel waren die Regel, Hunger, Unterernährung und Krankheiten die Folge.
Die kommunale Unterstützung für die „Kriegerfamilien“, insbesondere für Witwen, reichte nicht zum Überleben. Der Nationale Frauendienst, getragen von den bürgerlichen Frauenvereinen, linderte die größte Not. Frauen besetzten zunehmend vakante Arbeitsplätze in der Rüstungsindustrie.
Allerdings stieg die weibliche Erwerbsquote von 1914 bis 1918 nur um 17%. Mangelnde Qualifikation, familiäre Pflichten, katastrophale Arbeitshygiene, hohe Unfallziffern, körperlich schwere Arbeit, niedrige Entlohnung und Alternativen (Heimarbeit) verhinderten eine höhere Zahl in der Industrie arbeitender Frauen. Vorrangig Näherinnen, Dienstmädchen und Landarbeiterinnen nahmen eine Beschäftigung in der Sprengstoff- und Munitionsproduktion sowie der chemischen Industrie an, die in Leverkusen dominierten.
Bei den Farbenfabriken Bayer stieg der Frauenanteil in den Kriegsjahren von 600 auf rund 2.200 Arbeiterinnen, d.h. von 9% auf fast 25%. Dreiviertel der weiblichen Beschäftigten waren zwischen 14 und 20 Jahre alt. Sie verdienten deutlich weniger als ihre männlichen Kollegen.
Eine Erwerbstätigkeit wurde nicht nur aus wirtschaftlicher Not aufgenommen. Manche Frauen wollten in den lokalen Verwaltungen oder als Etappenhelferin ihren nationalen Kriegsbeitrag leisten und sich gleichzeitig emanzipieren.
Für die Ortsgruppen des national-konservativen Vaterländischen Frauenvereins stand die ehrenamtliche Pflege der Verwundeten in den Leverkusener Lazaretten im Vordergrund. Man strickte außerdem Liebesgaben für die Frontsoldaten, betrieb Suppenküchen und verpflegte die durchreisenden Truppen. Die Aktivitäten wurden durch Altmaterial- und Rohstoffsammlungen finanziert.
Nach dem Waffenstillstand wurde das Engagement vieler Frauen nicht belohnt. Sie mussten ihre Arbeitsplätze trotz Protesten der Frauenverbände wieder räumen. Einem Teil der Frauen gelang es aber, in den Büroberufen aufzusteigen – ein Vorbote des Wandels der Arbeitswelt der 1920er Jahren.
Am 12. November 1918 führte der Rat der Volksbeauftragten, der im Winter 1918/1919 die Regierungsgewalt im Deutschen Reich Inne hatte, das Frauenwahlrecht ein. Bis heute ist umstritten, was den Rat zu diesem Schritt bewogen hat, ob die Anerkennung der Leistungen an der Heimatfront, der revolutionäre Druck der Arbeiter- und Soldatenräte oder die konzertierten Aktionen der Frauenverbände zur staatsbürgerlichen Gleichstellung der Frauen.
KRIEG VERÄNDERT DAS LEBEN DER FRAUEN IN BRACKNELL
Aus Bracknell meldeten sich bei Ausbruch des Weltkrieges wie überall in Großbritannien Scharen von Männern freiwillig für den Dienst an der Waffe. Innerhalb des ersten Monats wählten alleine 17 Mitglieder des Bracknell Working Men’s Club den Kriegsdienst, auch weitere Gruppen von Freunden, Nachbarn, Arbeitskollegen traten geschlossen in die Armee ein. Dieser Aderlass an Männern war im Alltag schnell spürbar und veränderte das Leben der Frauen.
Die Geschäfte schlossen früher am Abend, ebenfalls die Alkoholläden. Geschäfte mit überwiegend männlicher Kundschaft wie Herrenfriseure oder Tabakhändler gaben auf. Die Post hatte kürzere Öffnungszeiten. Lebensmittelgeschäfte hatten weniger Kunden; es fehlten aber auch Arbeitskräfte und Lieferanten. Sport- und Gesellschaftsclubs litten an einem Mitgliederschwund.
Das Einkommen wurde für manche Familie in Bracknell knapp, auch eine Folge der seit Kriegsbeginn inflationär gestiegenen Lebensmittelpreise, da die Menschen Nahrungsmittel horteten und es zu Versorgungsengpässen kam. Die Preiserhöhungen und Verknappungen setzen sich in den Folgejahren fort, mit verursacht durch die deutschen U-Boot-Angriffe.
In den Industriegebieten Großbritanniens wurden Frauen in Fabriken eingesetzt, um die kämpfenden Männer zu ersetzen. In größeren Städten arbeiteten Frauen auch in Büros oder im Nahverkehr.
In Bracknell gab es solche Möglichkeiten nicht. Einige Frauen verdingten sich in den Läden auf der High Street, immer mehr auf den Bauernhöfen vor Ort. Mit fortschreitender Kriegsdauer gab es auch ein paar Stellen in den Ziegeleien; Schulen beschäftigen nicht zertifizierte Lehrerinnen. Kommunale Gemeinschaftsküchen sprangen ein, um den Frauen, am Ende des Arbeitstages Mahlzeiten zur Verfügung zu stellen. Ein Hilfskorps der Frauenarmee wurde eingerichtet.
Es gab mehrere Förderprogramme, um die Arbeitssituation der Frauen zu verbessern, so vom Roten Kreuz oder vom Berkshire Committee on Women and Farm Labour.
Wohlhabendere Frauen in Bracknell machten im Krieg so gut wie möglich weiter, kümmerten sich um das Haus und die Kinder und waren aktiv an allen Arten von Kriegssammlungen und Spenden-Aktionen beteiligt.
1917 wurden Preiskontrollen, Anfang 1918 Rationierungen für Grundnahrungsmittel eingeführt. Die Versorgung war schwierig, dennoch verhungerten Frauen und Kinder nicht. Ende Juli forderte eine „Grippe-Epidemie“ in Bracknell viele Opfer.
Das Ende des Krieges war im Alltag fast untergegangen. Im Dezember 1918 fand eine allgemeine Unterhauswahl statt. Frauen hatten noch keine Stimme.
KRIEG VERÄNDERT DAS LEBEN DER FRAUEN IN RATIBOR
Am 1. August 1914 erfolgte die Mobilmachung. Schon in den ersten zwei Monaten des Krieges wurden aus Ratibor 2.760 Soldaten zur Armee eingezogen.
Kriegsbedingt änderte sich damit auch das Leben vieler Frauen. Sie hatten Erschwernisse und Entbehrungen des Alltagslebens zu meistern um die Familie durch die Zeiten der Not zu bringen. Sie halfen in der Kriegsfürsorge, unterstützten die an der Front kämpfenden Soldaten und stärkten das Durchhaltevermögen.
Nach dem Kriegsausbruch übernahmen die Frauenvereine in der Kriegsfürsorge soziale Hilfsarbeiten. Auch in Ratibor wurde die Arbeit des Vaterländischen Frauenvereins intensiviert. Man richtete mehrere Lazarette ein und stellte dort das Pflegepersonal. Man organisierte Sammelaktionen und veranstaltete karitative Bälle. Man schickte den Soldaten an der Front Pakete und half bedürftigen Menschen, besonders Familien von Frontsoldaten.
Kurz nach Kriegsbeginn kam es zu ersten Lebensmittelverknappungen. Die Ratiborer Kommunalbehörden erließen Höchstpreis- und Rationierungsverordnungen. Die Lebensmittelbeschaffung wurde für die Ratiborer Frauen immer zeitaufwendiger und mühsamer. Hamsterfahrten nahmen zu; der Schwarzmarkt blühte.
Zwar war in Ratibor die Versorgungslage nicht ganz so prekär wie in den Großstädten, doch hatten die ärmsten Bevölkerungsschichten ständig mit Hunger und Krankheiten zu kämpfen. Ab 1916 gab es Massenspeisungen, bei denen die ärmere Bevölkerung zumindest einmal am Tag kostenlos eine warme Mahlzeit einnehmen konnte.
Ein trauriger Höhepunkt war der „Steckrübenwinter“ von 1916/17. Für breite Schichten der Bevölkerung gab es nur noch Kohlrüben zu essen. Das Ausmaß der Not zermürbte auch die psychische Widerstandskraft der Frauen; das Durchhaltevermögen sank.
Zur schlimmen Tragödie wurde für manche Ratiborer Frau der Heldentod des Sohnes, wie der des Vizefeldwebels d. R. Alfred Snehotta, der 42 erfolgreiche Aufklärungsflüge absolviert hatte. Er war mit 23 Jahren der älteste von vier unter der Fahne stehenden Söhnen des Stadtverordneten Carl Snehotta und seiner Ehefrau. Der zweite Sohn litt an einer schweren Kampfgasvergiftung, der dritte nahm an erbitterten Kämpfen an der Westfront teil, der jüngste, vierte Sohn absolvierte noch seine Ausbildung in der Garnison. Die Leiche des Fliegers Alfred Snehotta wurde nach Ratibor überführt.
Während des Kriegs starben 1.556 Ratiborer für das Vaterland, aus dem Kreis Ratibor weitere 2.500 bis 3.000 junge Männer. Noch mehr wurden versehrt bzw. verwundet.
KRIEG VERÄNDERT DAS LEBEN DER FRAUEN IN VILLENEUVE D’ASCQ
Am 2. August 1914 wurde in Ascq die Mobilmachung verkündet. Am 9. August mussten sich alle Männer zwischen 18 und 45 Jahren zum Kriegsdienst melden. Viele Wehrpflichtige aus Ascq waren zu diesem Zeitpunkt schon freiwillig eingerückt.
Die verbliebene weibliche Bevölkerung war zunehmend beunruhigt, als sich die deutschen Truppen Ascq näherten und Ende September einnahmen.
Über das Kriegserleben der Frauen in Ascq berichteten ab Februar 1915 beispielhaft in Tagebüchern der Pfarrer der Petrus-Gemeinde sowie Marie Carriere, die Frau des Küsters. Ihr Mann wurde Anfang September eingezogen und nach Firminy im freien Frankreich in die Waffenindustrie geschickt. Seitdem gab es keine Nachricht mehr von ihm. Sie machte sich Sorgen und beschloss, alle Vorkommnisse in Ascq für ihn aufzuschreiben. Ihr Hauptanliegen war es, ihre drei Kinderzu schützen, die bei Kriegsausbruch 6, 11 und 13 Jahre alt waren.
Marie Carriere musste deutsche Soldaten beherbergen, war aber bestrebt, die Kontakte aufs Nötigste zu begrenzen. Mit anständigen deutschen Soldaten katholischen Glaubens sympathisierte sie. Ein Soldat brachte ihrer kleinen Tochter jeden Abend Schokolade, einen Apfel und eine Orange mit.
Es war schwierig, die Kinder zu ernähren. Das Brot war eine schwer verdauliche Mischung aus Korn, Reis, und Mais. Beziehungen halfen, die Mangelernährung zu verbessern. Marie überwachte die Gesundheit ihrer Kinder und behandelte mit Erfolg ihre Krankheiten. Wenn die Schule ausfiel, gab sie ihnen Unterricht. Sie bewahrte ihren ältesten Sohn, der seinen Vater in der Kirche als Küster ersetzte, vor der Zwangsarbeit.
Im März 1915 schrieb sie: „Immer dasselbe traurige und beängstigende Leben! Die Kanonen grollen Tag und Nacht...“. Die Kinder wurden von dem Lärm der explodierenden Geschosse aus dem Schlaf gerissen. Aber Marie resignierte nicht, bot moralischen und religiösen Rückhalt.
1917 fehlte es an allem, die Menschen hungerten, einige Kinder starben. Die Einwohner mussten für die deutschen Truppen auf den Feldern arbeiten und wurden verpflichtet, ihre Vorräte der Besatzung abzugeben.
Anfang Oktober 1918 zogen sich die deutschen Truppen aus Ascq zurück, wobei sie Hunderte junger Leute, unter ihnen Jean Carriere, als Geiseln mitnahmen. Marie konnte die Deportation ihres ältesten Sohnes nicht verhindern. Die Geiseln von Ascq kamen erst am 15. November zurück.